Götz van Ooyen spricht meine Gedichte

Ich freue mich, dass der renommierte Schauspieler Götz van Ooyen meine „Picture Poems“ eingesprochen hat.
Alle Gedichte in dieser Rubrik sind nun mit einer Audioaufnahme versehen. Sie können sie also nicht nur lesen,
sondern auch mit den Ohren auf’s Wunderbarste genießen. Hier klicken, um zu hören …

Van Ooyen ist nach zahlreichen bundesweiten Engagements erneut festes, prominentes Mitglied im Schauspielensemble
des Staatstheaters Braunschweig. Neben seiner Schauspieltätigkeit arbeitet er als Sprecher für Hörspiel- und Hörbuch-Produktionen
sowie Image- und Dokumentarfilme. Er gestaltet außerdem Lesungen und Liederabende. Mit den „Comedian Harmonists in Concert“ 
gibt er deutschlandweit Konzerte.

Danke, Götz, die Aufnahmen sind ein Hörgenuss.

Jürgen Osterloh

stadtwittern

Ein poetisches Projekt über die Stadt, ihre Orte, Wege, Plätze.

Über Eindrücke, Gefühle, Gedanken.

Über Dasein, Abtauchen, Getriebenwerden.

Über Lebensentwürfe, Nischen, Brüche.

spring!

Hey –
spring

ins Feld
ans Licht
hinauf zur Sonne
über Wolken Berge Täler
Länder Grenzen Kontinente

spring
über deinen Schatten
brich
auf, der Knospe gleich,
zu neuen Horizonten

spreng
ab die Fesseln
des Öden Hinderlichen
von Furcht und Angst
und zögerlicher Behäbigkeit

spring
it’s springtime now
der Frühling
er ist da
frisch und klar

Neubeginn –
wie jedes Jahr

Der Zaun

Ein Staketenzaun.
Schutz, Abgrenzung, Hindernis.
Ort beiläufiger Gespräche,
längeren Verweilens, verstohlener Blick
hinüber

Verbund knorriger Individuen,
aneinandergereihter runzeliger Latten,
was alles mögen sie gesehen haben
oder gehört

Unter ihnen das Erdreich,
bohrendes Gewürm, Fäulnis
und das Morbide,
dort, wo wir alle enden werden,
früher oder später

Doch noch betört
der Duft blühender Kastanien,
der Nachgeschmack
lieblichen Weines

Sprecher: Götz van Ooyen

Strandkorb 634

Sich verkriechen bei Wind und Wetter.
Sicht gen Osten, in den vergangenen
Morgen, den aufkommenden Abend,
local time 6:34 p.m.

Pünktlich eingetroffen, stets um diese Zeit.
Der Einsamkeit begegnen, sie teilen,
vertreiben – darauf verstehen wir uns,
wir zwei

Eines Tages wird er fort sein.
Oder ich.
Was dann?

(Foto: Jan Behrens)

Sprecher: Götz van Ooyen

Im Raum

Stühle, Hocker
situativ wie beiläufig
neben einander
zu geordnet

Askese des Raums
legt Fokus auf
Nach Denken
Sinnen Sehen

Das Ensemble
spricht lockt mich
an lässige Kultur
der Betrachtung Reflexion

Prüfung Spekulation
für sich im
Austausch mit
unter einander

Fühl mich
zugehörig – du
auch wer noch
?

Sprecher: Götz van Ooyen

Die Klause I

Am Abend der Gang zur Klause,
ohne zu zögern, wie ein Zwang

die weiß gekalkte Wand, beschützendes Eck,
darin das Fenster, Rundbogen, neunfach geteilt,
Blattwerk, im Luftzug leise raschelnd

mitten die Bank, verwittert verblichen,
du setzt dich nieder, verweilst im Flug der Zeit

Die Klause II

Gedanken taumeln, ordnen, klären sich
Sorge, Leid drängen, geben nach, treten zurück

das Gewölbe hoch oben zieht Weite auf,
die Klause, Seelenort, der Anker
in der Tiefe des Moments

Die Klause III

Ruhe breitet sich aus
in der aufsteigenden Dämmerung,
wenn der Zeitenfluss zum Halten kommt

zeigen sich Wege und Sinn

was – weshalb
wohin

Sprecher: Götz van Ooyen

Stille sehen, Gondelrad

Nabe und Achse,
mittig im Rad,
achtzig Speichen,
der Strahlenkranz,
aufgeständert
an den Ufern

Steigen, Sinken im Rund,
Wechsel der Szenen,
verquirlt im Spiel
von Turn und Spin,
nicht Film, nicht Theater,
keine Silbe, keine Note

tropfen in die Stille

sehen

Sprecher: Götz van Ooyen