Das Fenster rechts

Im gelbbraunen Abendlicht
die vorletzte Etage,
das Fenster rechts, Gardine etwas aufgezogen,
dort lebt sie
seit Jahren schon

Immerwährendes Tagein Tagaus
das Gleiche ist dasselbe, dasselbe
ist das Gleiche, nichts ist jemals anders
die Mauern so nah, so dicht
die Wände

Im Käfig
kein Anruf kein Gespräch
man sieht sie nicht
unbemerkt unerkannt
hinterlässt sie keine Spur

Eines frühen Abends
durchbricht sie das Fenster
springt, fällt
mit erhobenen Armen
dem kreisenden Vogel entgegen

Der Zeitung war es eine Nachricht wert.

Strandkorb 634

Sich verkriechen bei Wind und Wetter.
Blick gen Osten, in den vergangenen
Morgen, den aufkommenden Abend,
local time 6:34 p.m.

Pünktlich eingetroffen, stets um diese Zeit.
Der Einsamkeit begegnen, sie teilen,
vertreiben – darauf verstehen wir uns,
wir zwei.

Eines Tages wird er fort sein.
Oder ich.
Was dann?

(Foto: Jan Behrens)

Margaritenblum

Wimmelbild.
Margaritenblum, dicht an dicht,
eine Perle, margarita, in sich bergend.

Sozial ist sie, tritt nur in Gemeinschaft auf,
lindernd, heilsam soll sie sein,
so wird erzählt.

Schicksal spielt sie in der Liebe – effeuiller la Marguerite:
elle m’aime, un peu, pas du tout.
Herzschlag auf Herzschlag ihrer Blütenblätter beraubt,
sinkt sie dahin, vergeht.

Ach, hätt‘ doch jemand eine Margerite für mich,
dies herzgewinnende Geschöpf.
Hegen und pflegen, umsorgen würd‘ ich sie,
ihr einen Namen geben, mit ihr sprechen, leben
bis ans Ende meiner Tage.