Die Klause I

Am Abend der Gang zur Klause,
ohne zu zögern, wie ein Zwang

die weiß gekalkte Wand, beschützendes Eck,
darin das Fenster, Rundbogen, neunfach geteilt,
Blattwerk, im Luftzug leise raschelnd

mitten die Bank, verwittert verblichen,
du setzt dich nieder, verweilst im Flug der Zeit

Die Klause II

Gedanken taumeln, ordnen, klären sich
Sorge, Leid drängen, geben nach, treten zurück

das Gewölbe hoch oben zieht Weite auf,
die Klause, Seelenort, der Anker
in der Tiefe des Moments

Die Klause III

Ruhe breitet sich aus
in der aufsteigenden Dämmerung,
wenn der Zeitenfluss zum Halten kommt

zeigen sich Wege und Sinn

was – weshalb
wohin

Sprecher: Götz van Ooyen

Siesta noruega

Nur mal sitzen,
sitzen
und rein gar nichts tun,
die Obhut, das Haus,
die Mauer, blumengespickt,
im Rücken

Vor unseren Augen
die Landstraße, die für Abwechslung sorgt,
langweilig soll es ja nicht sein, nein nein:
jede Stunde etwa zieht jemand vorüber, 
zu Fuß – das gibt’s, mit dem Rad, auf dem Pferd,
auf einem Drachen, einer Maus, einem flatternden Papagei

Jetzt ist es aber gut,
man wird ja noch ganz trollig

(Foto: Detlev Hoffmann)

Sprecher: Götz van Ooyen

Das Faultier

Da häng ich
geruhsam an Lianen und an Zweigen.
Schau
dem Fortschritt des Mooswuchses zu

Niemals, wirklich niemals
würde ich den Schnecken unter mir
nacheifern,
die gelegentlich vorbeieilen, ja hetzen

Wo wollen sie nur hin ohne Rast und Ruh?

Haben sie noch nie von der Endlosigkeit
des Augenblicks gehört –

von der kontemplativen Frucht
der Langsamkeit

Ach, sei’s genug

Wahrlich,
hab viel gedacht, gar nachgedacht

Adieu –

mein Blick verträumt, schläft ein
im grünen Schleier des Geästs

Gute Nacht!

(Foto: Detlev Hoffmann)

Sprecher: Götz van Ooyen