Pfostensteiger

Leitungen über Land,
oben am Mast,
im Winkel verspannt

Kindheitserlebnisse
blitzen auf –
Männer mit Steigeisen und Gurt,
an hohen Pfosten
klettern sie empor,
als wenn das gar nichts wär,
arbeiten, an Fuß
und Hüfte fixiert,
frei Hand
in luftiger Höh,
wettergegerbte Gesichter,
gebleichtes Haar

Vom Kinde, und
nicht nur diesem,
grenzenlos bewundert,
umgibt
sie eine Aura
von Kühnheit, Wildheit,
Abenteuer.
Sieh zu ihnen auf,
und die Gedanken sprühen,
Wunschbilder gaukeln,
färben den Tag,
den Abend ein

Für Wochen spielen, sind,
alle Kinder Pfostensteiger,
furchtlose, wilde Gesellen,
auf sich gestellt, im
Lande unterwegs.
Der elterliche Abendruf,
ungern vernommen,
verschafft Atempausen,
Nahrung, unruhigen Schlaf.
Morgen schon sind sie wieder da,
Kinder gibt es nicht, nur Vagabunden,
Kämpfer für die Sache

Wie gern wär
ich noch einmal
dabei

Sprecher: Götz van Ooyen

Ronnie, das Karussellpferd

Na Ron,
ich seh’s in deinen Augen,
wie wär’s
mit einem kleinen Ausritt

Ansatzlos gestreckter Galopp furios,
entfesselt
fort, nur fort, weit
weit fort

Kein Blick zurück
auf die ringelstechende Haftanstalt,
Drehort grell maskierter Pein,
immerwährend kreiselnder Fron

Lauf. Lauf um dein Leben.
Stürme die Freiheit

Sprecher: Götz van Ooyen

Way out

Ein Schild, handgefertigt,
unmissverständlich weist es den Weg,
zum Ausgang dort entlang

Wenn das sonst auch so einfach wär,
bei Unsicherheit, Bedrängnis und Not
Weg-Weisung, eindeutig und klar,
Ängste, Sorgen, Gefahren
für immer gebannt

Wäre es den Preis wert –
geborgen im Netz der Unfreiheit

Kein Way out,
den gäbe es nicht

Sprecher: Götz van Ooyen

Blocked

Gitterstäbe unzählige
auf der Erde
sperren aus, sperren ein

eintönig zumeist, manchmal
unsichtbar, lieblos immer gebieten,
blocken sie ab, kalt und eisern

das Vordringen zum geöffneten
Waggon, ins Gebiet der Ungefangenen,
Glück und Freiheit

verzweifelt, ins rettende Land

hinter dem Zaun

wo
stehst du,
diesseits oder drüben

Sprecher: Götz van Ooyen

Vogelbeere, Herbst I

Gürmsch, Gürgetsch, Wiismehlbomm,
fremde Laute stolpern über die Zunge,
klingen nach in den alten Namen der Vogelbeere

Kleiber, Gimpel, auch die Mönchsgrasmücke,
kümmert‘s nicht, ihr Begehr, winz’gen Äpfeln gleich,
lädt rotbackig zum Verzehr

Vogelbeere, Herbst II

Hunger gestillt, der Strauch tritt zurück,
fügt sich ins bunte Gehölz,
den lichten Hain

Ein kurzes Innehalten, Lauern,
steil katapultiert
vom Wipfel in die Höhe

Vogelbeere, Herbst III

Flieg – flieg über das Wasser hin,
Wolken unter, Wolken über dir

hinauf – hinauf ins Spiegelblau,
klar und kühl, ins Farbenmeer tauchend

Ein letztes Mal.
Es ist Herbst,
man ahnt den Winter

Sprecher: Götz van Ooyen

Waldweidenröschen, verblüht

danse, toi belle

Dreh dich dreh dich
dreh dich im Tanz

kreisel dich frei
in der pirouette

anmutig gleitest du
übers parquet

im port de bras
strahlst du bereit

für eine weitre valse
die dich freit

dreh dich dreh dich
im Lichterglanz

Sprecher: Götz van Ooyen